Florian Holzherr

Preisträger BDA-Architekturpreis Nike 2019
Preisträger BDA Preis Bayern 2019

Kirchenzentrum Seliger Pater Rupert Mayer

Poing

Florian Holzherr

Kirchenzentrum Seliger Pater Rupert Mayer

Poing
Projekt
Kirchenzentrum Seliger Pater Rupert Mayer
Architekt
meck architekten gmbh, Andreas Meck, Axel Frühauf, München
Bauherr
Erzbischöfliches Ordinariat München

Nike 2019: Votum der Jury

Die Turbulenzen, die seit geraumer Zeit beide großen Kirchen in Deutschland erfasst haben, sind auch der Spannung zwischen Tradition und Zeitgenossenschaft geschuldet. Sowohl die evangelische wie auch die katholische Kirche tun sich mitunter schwer mit dem Balanceakt, der darin besteht, einerseits die theologischen und religionsgeschichtlichen Wurzeln zu bewahren, andererseits aber auch offen für zeitgemäße Reformen zu sein. Wie sich jedoch unterschiedliche Zeitschichten und Bedeutungsebenen in einer holistischen, ganzheitlich wirksamen Raumfigur überzeugend verbinden und suggestiv versöhnen lassen, wie also mit den Mitteln der Architektur eine Art Überzeitlichkeit erzeugt werden kann: Das Kirchenzentrum Seliger Pater Rupert Mayer in Poing zeigt auf beispielhafte Weise, wie das gelingt.

Die katholische Kirche, entworfen und realisiert von Meck Architekten, München, besetzt dabei stadträumlich einen sensiblen Ort in Poing. Das ist eine von etwa 13.000 Menschen bewohnte Gemeinde, rund 20 Kilometer nordöstlich von München gelegen. Stadträumlich besteht die Aufgabe des Kirchenzentrums darin, zwischen dem alten Kern Poings und dem (prosperierender Entwicklung geschuldeten) neuen Zentrum zu vermitteln. Dazu dient ein skulptural wirksamer Bau, dessen expressives Dachfaltwerk weithin sichtbar für räumliche Präsenz sorgt. Der einladend gestaltete, klar lesbare Kirchplatz vermittelt zwischen Bürgerhaus, einem geplanten Rathausstandort und evangelischer Kirche – und definiert so auch mit Hilfe der Raumkanten des neuen Kirchenzentrums einen starken öffentlichen Raum als neue Mitte der Gemeinde. Gleichzeitig sorgt die nach außen mit weißen, dreidimensional geformten Keramikfliesen besetzte Dachhaut über einem massiven Sockel aus dem ortstypischen Nagelfluh nach innen für eine differenzierte, liturgisch sinnfällig organisierte Raumwirkung.

Obschon die Kirche konstruktiv aus einem einzigen Raumkreuz entwickelt wurde, schaffen drei unterschiedlich ausgerichtete Lichtöffnungen, die der skulpturalen Dachform zu Logik und Lesbarkeit verhelfen, drei differenziert belichtete Zonen für die liturgischen Handlungen. Zudem sorgt die subtile Lichtführung für einen Raum der Transzendenz. Wer die Kirche betritt, wird von einem magisch wirksamen, aber auch klar konfigurierten Raum umfangen, der zugleich an die barocke Feier des Lichts in den Kirchen der Vergangenheit erinnert – wie er auch als selbstbewusste Zeitgenossenschaft einer Kirche gelesen werden kann, die der Gegenwart dient und sich der Zukunft öffnet.

 

Preisträger

BDA-Architekturpreis Nike 2019 – Große Nike

Die „Große Nike“ zeichnet ein Bauwerk aus, das durch Fügung und Komposition, durch räumliche Atmosphäre und architektonische Symbolik, mit gesellschaftlichem Engagement und Innovation in hervorragender Weise die Idee des Architekturpreises Nike erfüllt.

Preisträger

BDA Preis Bayern 2019 – Besondere Bauten

Sakralbauten sind die Königsklasse der Architektur. Die Kombination aus Raum, Material und Licht erzeugt die besondere Atmosphäre für das Innekehren. Zeitgenössische Sakralbauten müssen zum einen der baulichen Tradition und Symbolik der jeweiligen Glaubensrichtung folgen und haben zum anderen aufgrund ihrer Strahlkraft das Potenzial, Architekturentwicklung mitzugestalten. Die neue Kirche in Poing zeigt dies in Vollendung. Das Grundstück liegt in einem jungen, stetig wachsenden Stadtteil von Poing, begrenzt durch eine stark befahrene Ausfallstraße und einen Grünzug mit Weiher.

Der skulpturale Kirchenbau positioniert sich eigenständig und dank seiner großen Öffnungen zugleich einladend in dieser heterogenen städtebaulichen Situation. Ein breiter, leicht abfallender Platz vor dem südöstlich liegenden Haupteingang schafft die dramaturgische Vorlage für das hoch aufsteigende, gefaltete Kirchendach.

Der geschosshohe Sockelbereich ist aus monolithischen Wänden in Nagelfluh errichtet, dessen eingeschlossene Kiesel eine dezente Vielfarbigkeit erzeugen. Darüber thront eine expressive Dachform, die mit 15.000 schneeweißen, dreidimensionalen Keramikkacheln verkleidet ist. Die beiden Ebenen symbolisieren Erde und Himmel, Immanenz und Transzendenz. Das Thema wird im Innenraum fortgeführt und um die Wirkung des einfallenden Lichts ergänzt. Drei große Oberlichter, ein Sinnbild der Dreifaltigkeit, beleuchten gezielt die liturgischen Orte. Die Unter-seiten der steilen Dachscheiben sind weiß gekalkt, was die diffuse Lichtverteilung begünstigt. Ein gewaltiges Raumkreuz überspannt den gesamten Raum. Es trägt das Gebäude symbolisch wie auch konstruktiv.

Abstrakte Formgebung und geschickte Modellierung mit Licht erzeugen eine Atmosphäre, die dem In-die-Höhe-Streben historischer Sakralbauten vergleichbar ist. Statt der Überladung des Raums mit religiösen Gemälden und Figuren besticht das Gebäude durch seine subtile Symbolik und Kargheit, die den Besucher zwingt, sich mit sich selbst zu befassen. Diese Kirche muss man aushalten können. Zugleich bieten bodentiefe Verglasungen am Eingang und hinter dem Taufbereich eine Möglichkeit, sich der Strenge des Raums und der Konzentration der Andacht zu ent-ziehen. Der Blick kann über den Weiher schweifen, während ab und an unterhalb des Taufbeckens ein Radler vorbeihuscht.