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Abrisstalk am ehemaligen Galeria-Kaufhof-Gebäude an der Marktkirche in Hannover

30. Januar 2023

Foto: Susanne Kreykenbohm
Foto: Susanne Kreykenbohm
Rund 150 Zuhörer waren zum „Abrisstalk“ vor das ehemalige Kaufhaus gekommen. Hier spricht Prof. Dr. Markus Jager, Professor für Bau- u. Stadtbaugeschichte, Leibniz Universität Hannover. Er beschrieb das Umdenken in der Lehre: „Wir trainieren seit Jahren die Studierenden im Umbauen.“

Am vergangenen Freitag hatte die Ortsgruppe Hannover von Architects for Future (A4F) zu einer Protestaktion vor dem leer stehenden und vom Abriss bedrohten ehemaligen Galeria-Kaufhof-Gebäude an der Marktkirche geladen. In ihrer Pressemitteilung schreiben A4F, dass das Format „Abrisstalk“ als Initialzündung dienen soll, mit hannoverschen Expert*innen über die Thematik ins Gespräch zu kommen. Neben der Kritik an der bisherigen Baupraxis ginge es insbesondere darum, gemeinsam konkrete Alternativen und Anforderungen an die Baupolitik aufzuzeigen und voranzubringen.

Rund 150 interessierte Zuhörer trotzten der Kälte und folgten anderthalb Stunden lang den vielfältigen Statements. Dabei kamen folgende Experten zu Wort:

  • Karen Schäfer, Architects for Future Hannover
  • Thomas Vielhaber, Stadtbaurat der Landeshauptstadt Hannover
  • Dr. Kim Pollermann, Initiative Bumke selber machen
  • Prof. Dr. Markus Jager, Professor für Bau- u. Stadtbaugeschichte, Leibniz Universität Hannover
  • Dr. Christina Krafczyk, Präsidentin Nds. Landesamt für Denkmalpflege
  • Dr. Jens Clausen, Scientist for Future
  • Stefanie von Heeren, stellvertretende Vorsitzende des BDB Niedersachsen
  • Dilek Ruf, Vorsitzende BDA Niedersachsen
  • Robert Marlow, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen

Alle Redner waren sich einig, dass im Hinblick auf die Klimakrise der Erhalt und die Umnutzung des Gebäudes absolute Priorität haben müsse vor dem Abriss. Gefordert wurden Wettbewerbe für eine kreative Nachnutzung und vor allem die Klimabilanzierung von Bestandsbauten. In Hannover seien bereits zu viele Bauten abgerissen worden – ohne vorherige Klimabilanz des Bestands. Dazu zählen die ehemalige Exxon-Zentrale, ein Bürobau mit 1000 Arbeitsplätzen, an der Podbielskistraße, das Bumke-Gelände in der Nordstadt, der Westflügel des Bredero-Hochhauses am Raschplatz oder auch das im Abriss befindliche ehemalige Postscheckamt unweit der Goseriede.

Foto: Susanne Kreykenbohm
Foto: Susanne Kreykenbohm
Ein Beispiel, über das beim Abrisstalk gesprochen wurde: das Postscheckamt unweit der Goseriede wird zur Zeit abgerissen – ohne Klimabilanz

Die Initiatoren der Veranstaltung betonen, „dass der Bau- und Gebäudesektor nicht nur ein Klimaproblem habe.“ Weiter erklären sie, „Eine enorme Ressourcen- und Abfallproblematik kommt hinzu. Denn rund 90 % aller mineralischen, nicht nachwachsenden Rohstoffe werden durch Bautätigkeiten verbraucht. Gleichzeitig ist seit Jahrzehnten mehr als die Hälfte des deutschen Abfallaufkommens dem Bau und der Nutzung von Gebäuden zuzuordnen. Der größte Teil dieser Abfälle wird bislang deponiert, verfüllt oder verbrannt.“

Der kurzfristig hinzugekommene Stadtbaurat Thomas Vielhaber beschrieb in seinem Statement,  wie komplex die Aufgaben und Rollen der Stadt seien. Er zeigte auf, dass es in Hannover auch gute Beispiele für die Umnutzung von Bestandsbauten gibt z.B. den der Athanasiuskirche in der Südstadt. Hier hat ein Investor die Kirche umgebaut zu Wohnungen im Obergeschoss und mit Kulturnutzungen, u.a.  dem „Haus der Religionen“, in den beiden unteren Geschossen. Vielhaber erklärte ebenfalls, dass die Stadt auch die Rolle des „Gebers des Planungsrechts“ vertrete. Bei dem 1974 errichteten Kaufhausneubau, für den übrigens zuvor auch ein großer Vorgängerbau abgerissen worden war, hatte die Stadt vor fast 50 Jahren dem Besitzer das „Baurecht“ zugestanden, was heute noch gilt.

Trotzdem gibt man die Hoffnung noch nicht auf. Es sollen weiter Gespräche mit dem Besitzer zur Zukunft der Immobilie geführt werden, an denen auch die Architektenkammer und der BDA beteiligt werden.

Susanne Kreykenbohm

Foto: Susanne Kreykenbohm
Foto: Susanne Kreykenbohm
Dilek Ruf forderte „kein Weiter so“ und bezog sich in ihrem Statement auf das BDA-Positionspapier „Haus der Erde“.

 

Foto: Susanne Kreykenbohm
Foto: Susanne Kreykenbohm
Robert Marlow, Präsident der Architektenkammer, BDA-Kollege und Mitglied der A4F, forderte erneut einen Wettbewerb für eine kreative Nachnutzung des ehemaligen Galeria-Kaufhof. Es gäbe vielfältige Möglichkeiten zur Umnutzung des Bestands, z.B. für Hochschulnutzungen. „Die Uni möchte zurück in die Stadt“, sagte er.