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Ansichtssache 01 – Elbphilharmonie

9. November 2017

Elbphilharmonie feat. James Rhodes
Autor und Fotos: Katja Ahad, Architektin BDA, Braunschweig

Hamburg begrüßt mich stürmisch. Die U-Bahn 3 hat den Betrieb eingestellt, weil umgestürzte Bäume das Gleis versperren. Außerhalb von Gebäuden bewegt sich nur, ‚wer jetzt kein Haus hat’ (Herbsttag, R.M. Rilke). Passanten und Radfahrer stemmen sich gegen die Orkanböen. Die Elbphilharmonie trutzt dem Wetter und ruht stoisch mit ihrer transluzent-transzendent-glänzenden Hülle in Form einer erstarrten Monsterwelle auf dem mächtigen Sockel, dem Kaispeicher A.

Kräftigen Gegenwind hat das Projekt auch in seiner Bauphase erlebt. Jetzt, einige Monate nach der Eröffnung, haben sich die Wogen der Entrüstung über die Zeit- und Kostenüberschreitung des Bauprojektes gelegt. Die erstarrte Glaswelle erscheint wie die Ruhe nach dem Sturm und erhaben spiegelt sich der Hamburger Hafenhimmel. Ob es die perfekte Welle geworden ist, werde ich mir anschauen und anhören.

Konsequenterweise habe ich auch ein Zimmer mit Aussicht im ‚Hafencity Luxushotel The Westin’ gebucht. Was in anbetracht der Wetterlage eine glückliche Entscheidung ist.

Eingang zum Westin HafenCity Hotel

Den Zugang zum Hotel findet man im Sockel des Kaispeichers direkt neben den Eingängen zum Foyerbereich der beiden Konzertsäale. Im Entwurf ist das konsequent und der Konversion eines solchen Speichergebäudes angemessen. Als Auftakt zu einem Hotel in dieser Kategorie ist es ein ungewöhnlicher Empfang, der das Gefühl vermittelt, man habe sich versehendlich selbst durch die Anlieferung ins Hotel hineingeschmuggelt. Der Weg in mein Zimmer führt über die üblichen fensterlosen, zweibündigen Teppichflure und wird belohnt mit einem großartigen Ausblick auf alte und neue Hafenarchitektur, Kräne und Horizont. Praktischerweise lässt sich das Panorama auch direkt aus der Badewanne genießen, die nur über eine Glasscheibe vom Schlafbereich getrennt ist.

Blick aus dem Hotelzimmer

Die gewölbte Glasfassade ist von Außen an den Rändern mit schwarzen Punkten bedruckt. Der Sinn erschließt sich nicht von Innen und der Bedruck behindert die Aussicht. Möglicherweise schattieren die Punkte die einzelnen, gewölbten Glasfassadenteile und steigern so die plastische Gesamtwirkung. Gleichzeitig erinnert mich die Fassade aber an die Brandlöcher von ausgedrückten Zigaretten in Plexiglas, wie man sie auf WC-Kabinen an Autobahnraststätten findet. Die Fassade, die sich vermutlich nicht reinigen lässt, ist bereits verdreckt. Besonders im Bereich der aufgedruckten Punkte sammelt sich der Fein- und Grobstaub von Großstadt und Hafen. Die Fensterelemente sind jeweils seitlich an einem verspiegelten Schwert angeschlossen. Ich vermute, das ist der Versuch, die Illusion der gläsernen Hülle aufrecht zu erhalten. So wirkt es dann auch weniger wie eine raffiniert gelöste Konstruktion als wie ein Zaubertrick für Anfänger, dem nicht sehr viel Zauber innewohnt.

Die Vorfreude auf das Konzert – James Rhodes am Klavier: „Music and Words“ – genieße ich aus der Wanne mit Aussicht. Ich führe meine im Sturm verlorene Energie durch Wärmetausch wieder zu während unterhalb des Fensters Schiffe vorbeiziehen und sich am Himmel ein kompletter Regenbogen über den Michel spannt.

Hafencity

Der Zugang zur Foyerebene der Elbphilharmonie erfolgt über eine sehr lange Rolltreppe, die notwendigerweise die ersten Sockelgeschosse des Kaispeichers überwindet und sowohl Touristen als auch Konzertbesucher im Schlund des Kaispeichers wieder ausspeit.

Foyer zu den Konzertsäalen

Die Wege, Foyerbereiche, Aussichtsterrasse und Treppenanlagen sind eine virtuose Raumkomposition. Ein würdiger Architekturfestakt und Vorspiel zum Konzert.

Uniformiertes Personal gibt den Besuchern im Piranesischen Raum die nötige Wegweisung. Das ist der Preis für den Flow der Foyers und Treppen, der sich im Flow der Ränge des großen Saales fortsetzt. Mein fantastischer Platz – erster Rang erste Reihe.

der Große Konzertsaal

Der Pianist James Rhodes aus London, der die vorgetragenen Stücke in einer Stand-up Performance einleitet und kommentiert, spielt sehr anständig. Die Akustik im ausverkauften Saal ist immerhin so, dass der Flügel den Raum ausfüllt. Die Oberflächenstruktur, mit deren Hilfe Yasuhisa Toyota den Raumklang eingerichtet hat, wirkt wie gefrästes oder gegossenes Holz. Ein parametrisiertes 3-D Ornament.

Struktur und Oberfläche

Diese Konzerthöhle mit Rängen, die wie schmelzende Bienenwaben in Bewegung geraten und wieder erstarrt sind, ist eine etwas zu süße Raumpartitur. Der Künstler, der in Turnschuhen und einem Sweatshirt mit der Aufschrift Bach auftritt, setzt hier die nötige Blue Note. Selbst während er nur spricht, entsteht zwischen den 2100 Besuchern und ihm eine unmittelbare Verbindung, was ein großes Kompliment an Künstler und Raum ist.

Insgesamt wird es ein würdiger Konzertabend, ein eindrucksvolles Raumerlebnis und eine gute Nacht im Hotel. Am Morgen treffe ich den Pianisten gleich zweimal zufällig im Aufzug. Wir kommen ins Gespräch und ich lasse mir viel Glück für meinen Termin in Hamburg wünschen. Er winkt mir freundlich zum Abschied aus der Lobby zu.

„Good luck Katja with the fucking Job! You’ll ace it… Yours, James Rhodes“

 

Katja Ahad, Architektin BDA, Braunschweig

(alle Fotos Katja Ahad)