12. August 2013
Rund 100 Besucher verfolgten mit großem Interesse das Gespräch zwischen Dr. Klaus Stichweh und Dr. Sid Auffarth über die Geschichte des gelb verklinkerten Einfamilienhauses unweit der Herrenhäuser Gärten in Hannover. Stichwehs Eltern hatten sich das Haus Anfang der 1950er Jahre von Walter Gropius entwerfen lassen.
Der Sohn zog als 17-jähriger zusammen mit seinen Eltern 1953 dort ein und kann sich heute noch gut an die Bau- und Planungszeit erinnern. Sein Vater hatte damals gegenüber dem Hannoveraner Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht in einem Gespräch nebenbei erwähnt, dass es schade sei, dass in Deutschland so gebaut werde, als hätten Mies van der Rohe und Walter Gropius nicht gelebt. Hillebrecht, der Gropius noch aus seiner Studienzeit kannte und auch bei ihm gearbeitet hatte, nahm daraufhin Kontakt zu Gropius in den USA auf, wo der Architekt seit seiner Emigration lebte. Das war der Beginn einer transatlantischen Kooperation – in Zeiten ohne Email und Internet.
Es sei von Vorteil gewesen, dass sein Vater sehr gut Architekturzeichnungen lesen konnte, was ja nicht selbstverständlich sei heutzutage, berichtete Klaus Stichweh. Ein Detail, auf das Walter Gropius besonderen Wert gelegt hätte, sei z.B. das Fugenbild des gelben Mauerwerks gewesen. Beim Wohnhaus in Hannover sind die horizontalen Fugen tiefer als die vertikalen. Bei näherer Betrachtung ergibt das einen ganz eigenen Schattenwurf, der den sachlich, schlichten Bau prägt – zusammen mit dem Wechsel von Putz- und Klinkerflächen, mit den Fensterbändern, filigranen Stahlstützen und schlanken Vordächern, die sich wie Linien um den quaderförmigen Bau legen.
Auf die Frage, wie denn die Nachbarn auf das neue Haus reagiert hätten, berichtete Klaus Stichweh, dass nicht alle mit dem modernen Neubau glücklich waren. So wandte sich einer der Nachbarn sogar an den Stadtbaurat mit einem Brief, in dem er beklagte, dass das Haus mit dem Flachdach für ihn die Sicht auf die Herrenhäuser Gärten verstelle. Er bat Hillebrecht, den Besitzer zu fragen, ob man die Dachform verändern könne. Gesagt, getan, antwortete Stichweh senior daraufhin mit einem Schmunzeln: Ja, er könne sich ein anderes Dach durchaus vorstellen – aber nur ein Strohdach. Und das sei ja traditionell sehr steil und würde den Blick auf die Herrenhäuser Gärten noch mehr verstellen. So war die Frage schnell geklärt.
Seit 1987 hat der Bund Deutscher Architekten Niedersachsen das Haus gemietet und nutzt es zusammen mit dem Verein zur Förderung der Baukunst für Veranstaltungen und als Geschäftsstelle. Das Obergeschoss ist als Wohnung untervermietet. Da das Gebäude normalerweise nicht öffentlich zugänglich ist, freuten sich die Gäste über die Gelegenheit, das Haus nach dem Gespräch in Ruhe zu besichtigen. Wer wollte, konnte sich den Film „Geformte Zukunft – Ein Interview mit Walter Gropius“ aus dem Jahr 1968 anschauen. Den Film hatte das bauhaus-archiv aus Berlin für die Veranstaltung zur Vorführung freigegeben. Der Abend klang aus mit Gesprächen beim Glas Wein im schönen Garten des Gropiushauses. Anja Brüning, Vorsitzende der BDA Bezirksgruppe Hannover, und Harald Kiefer, Vorsitzender des BDA Landesverbands, zeigten sich sehr erfreut über die positive Resonanz.
Susanne Kreykenbohm
Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist am 24. August 2013 der Bericht „Der Meister kehrt zurück“ über die Veranstaltung von Henrike Junge-Gent erschienen – zum Download. (Die Downloads finden Sie am Ende der Seite.)