Themen

1953 I 2013 – 60 Jahre Gropiushaus / Rückblick

12. August 2013

Rund 100 Besucher verfolgten mit großem Interesse das Gespräch zwischen Dr. Klaus Stichweh und Dr. Sid Auffarth über die Geschichte des gelb verklinkerten Einfamilienhauses unweit der Herrenhäuser Gärten in Hannover. Stichwehs Eltern hatten sich das Haus Anfang der 1950er Jahre von Walter Gropius entwerfen lassen.

Der Sohn zog als 17-jähriger zusammen mit seinen Eltern 1953 dort ein und kann sich heute noch gut an die Bau- und Planungszeit erinnern. Sein Vater hatte damals gegenüber dem Hannoveraner Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht in einem Gespräch nebenbei erwähnt, dass es schade sei, dass in Deutschland so gebaut werde, als hätten Mies van der Rohe und Walter Gropius nicht gelebt. Hillebrecht, der Gropius noch aus seiner Studienzeit kannte und auch bei ihm gearbeitet hatte, nahm daraufhin Kontakt zu Gropius in den USA auf, wo der Architekt seit seiner Emigration lebte. Das war der Beginn einer transatlantischen Kooperation – in Zeiten ohne Email und Internet.

01_HaraldKiefer_begruesst_Gaeste_im_Gropiushaus_Foto_AndreasBormann
01_HaraldKiefer_begruesst_Gaeste_im_Gropiushaus_Foto_AndreasBormann
Harald Kiefer, Vorsitzender des BDA Niedersachsen, begrüßt die Gäste Foto: Andreas Bormann

Es sei von Vorteil gewesen, dass sein Vater sehr gut Architekturzeichnungen lesen konnte, was ja nicht selbstverständlich sei heutzutage, berichtete Klaus Stichweh. Ein Detail, auf das Walter Gropius besonderen Wert gelegt hätte, sei z.B. das Fugenbild des gelben Mauerwerks gewesen. Beim Wohnhaus in Hannover sind die horizontalen Fugen tiefer als die vertikalen. Bei näherer Betrachtung ergibt das einen ganz eigenen Schattenwurf, der den sachlich, schlichten Bau prägt – zusammen mit dem Wechsel von Putz- und Klinkerflächen, mit den Fensterbändern, filigranen Stahlstützen und schlanken Vordächern, die sich wie Linien um den quaderförmigen Bau legen.

Auf die Frage, wie denn die Nachbarn auf das neue Haus reagiert hätten, berichtete Klaus Stichweh, dass nicht alle mit dem modernen Neubau glücklich waren. So wandte sich einer der Nachbarn sogar an den Stadtbaurat mit einem Brief, in dem er beklagte, dass das Haus mit dem Flachdach für ihn die Sicht auf die Herrenhäuser Gärten verstelle. Er bat Hillebrecht, den Besitzer zu fragen, ob man die Dachform verändern könne. Gesagt, getan, antwortete Stichweh senior daraufhin mit einem Schmunzeln: Ja, er könne sich ein anderes Dach durchaus vorstellen – aber nur ein Strohdach. Und das sei ja traditionell sehr steil und würde den Blick auf die Herrenhäuser Gärten noch mehr verstellen. So war die Frage schnell geklärt.

02_Gespraech_Foto_AndreasBormann
02_Gespraech_Foto_AndreasBormann
Dr. Klaus Stichweh und Bauhistoriker Dr. Sid Auffarth berichten über das Haus Foto: Andreas Bormann

Seit 1987 hat der Bund Deutscher Architekten Niedersachsen das Haus gemietet und nutzt es zusammen mit dem Verein zur Förderung der Baukunst für Veranstaltungen und als Geschäftsstelle. Das Obergeschoss ist als Wohnung untervermietet. Da das Gebäude normalerweise nicht öffentlich zugänglich ist, freuten sich die Gäste über die Gelegenheit, das Haus nach dem Gespräch in Ruhe zu besichtigen. Wer wollte, konnte sich den Film „Geformte Zukunft – Ein Interview mit Walter Gropius“ aus dem Jahr 1968 anschauen. Den Film hatte das bauhaus-archiv aus Berlin für die Veranstaltung zur Vorführung freigegeben. Der Abend klang aus mit Gesprächen beim Glas Wein im schönen Garten des Gropiushauses. Anja Brüning, Vorsitzende der BDA Bezirksgruppe Hannover, und Harald Kiefer, Vorsitzender des BDA Landesverbands, zeigten sich sehr erfreut über die positive Resonanz.

Susanne Kreykenbohm

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist am 24. August 2013 der Bericht „Der Meister kehrt zurück“ über die Veranstaltung von Henrike Junge-Gent erschienen – zum Download. (Die Downloads finden Sie am Ende der Seite.)

03_04_AuffarthStichweh_Fotos_AndreasBormann
03_04_AuffarthStichweh_Fotos_AndreasBormann
Sid Auffarth und Klaus Stichweh, Sohn des Bauherrn Fotos: Andreas Bormann
05_Gaeste_im_Gropiushaus2_Foto_AndreasBormann
05_Gaeste_im_Gropiushaus2_Foto_AndreasBormann
Rund 100 Gäste verfolgen interessiert das Gespräch Foto: Andreas Bormann
06_KlausStichweh_erklaert_Gropiushaus_Foto_AndreasBormann
06_KlausStichweh_erklaert_Gropiushaus_Foto_AndreasBormann
Der Sohn des Bauherrn vor einer historischen Aufnahme Foto: Andreas Bormann
07_Gaeste_im_Gropiushaus_Foto_AndreasBormann
07_Gaeste_im_Gropiushaus_Foto_AndreasBormann
Peter Teicher, stv. BDA Landesvorsitzender, erklärt das Architekturkonzept Foto: Andreas Bormann
08_AnjaBruening_VorsitzendeBDAHannover_laedt_Gaeste_ein_Foto_AndreasBormann
08_AnjaBruening_VorsitzendeBDAHannover_laedt_Gaeste_ein_Foto_AndreasBormann
Anja Brüning, Vorsitzende des BDA Hannover, lädt die Gäste zum Rundgang Foto: Andreas Bormann
09_Film_GeformteZukunft_Foto_AndreasBormann
09_Film_GeformteZukunft_Foto_AndreasBormann
Ein Film mit einem Interview aus dem Jahr 1968 mit Walter Gropius Foto: Andreas Bormann
11_Gespraeche_im_Garten_foto_AndreasBormann
11_Gespraeche_im_Garten_foto_AndreasBormann
Gäste im Garten des Gropiushauses Foto: Andreas Bormann

Downloads